Der Schulbau in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Insbesondere in den Ballungsräumen steigen kontinuierlich die Schülerzahlen und allen Prognosen zufolge setzt sich das Bevölkerungswachstum auch in den kommenden Jahren fort. Deswegen gehören Schulneubauten inklusive der Schulerweiterungen und Sanierungen aktuell zu einem der zentralen Themen der Investitionspolitik der Bundesländer. Allein in Berlin werden bis zum Schuljahr 2024/25 neue Räume für rund 70.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler benötigt. Dafür werden von 2017 bis 2026 rund 5,5 Milliarden Euro für die Sanierung und/oder Erweiterung des Bestandes sowie für ca. 40 Schulneubauten zur Verfügung gestellt.
Aus diesem aktuellen Anlass zeigt die von Beate Engelhorn initiierte und kuratierte Ausstellung im Aedes Architekturforum, zwölf Beispiele zeitgenössischer Schulbauten aus Europa, die beispielhaft für die Umsetzung gegenwärtiger pädagogischer und städtebaulicher Modelle sind. Die Ausstellung wird durch eine zweitägige Eröffnungskonferenz mit zahlreichen Expertenbeiträgen aus dem In- und Ausland eingeleitet.
Die „Institution Schule“ hat sich zunehmend verändert und wird heute, durch wachsende Erfordernisse, z.B. längere Betreuungszeiten inklusive Hausaufgabenbetreuung bis hin zu Modellen als Ganztagsschule, immer mehr zum Lern- und Lebensraum für Kinder, der auch sozialerzieherische Funktionen beinhaltet. Zudem ist das Programm der Schulen vielfältiger geworden. Neben einer zeitgemäßen technischen Ausstattung gehören heute auch Musik-, Literatur und Sport AGs zum Angebot. Somit müssen nicht nur die Schulgebäude mit flexibel nutzbaren Flächen für das umfangreiche Raumprogramm ausgestattet werden, sondern auch die Außenanlagen brauchen vielfach erweiterte Flächen für die unterschiedlichen Freiluft- und Sportaktivitäten. Unbestritten scheint, dass sich Raumverhältnisse sowohl auf das Verhalten, als auch auf die Leistungsfähigkeit der Schüler auswirken und in der Schulpädagogik der Raum als der „dritte Lehrer“ ein gängiger Begriff geworden ist.
Neben den schulinternen Aufgaben übernehmen Schulgebäude mehr und mehr die Funktion eines wichtigen stadträumlichen Bausteins, der für die benachbarten Anwohner z.B. Gemeinschaftsräume, Bibliothek, Sportstätten und Freizeitanlagen zur Verfügung stellt und als sozialer Raum und Treffpunkt innerhalb des Stadtteils oder der ländlichen Umgebung genutzt wird. Aus der unterschiedlichen klimatischen und geografischen Lage der ausgewählten Beispiele ergeben sich zudem auch unterschiedliche Anforderungen an die Bauweise und technische Ausstattung der Gebäude, die zu individuellen Besonderheiten der Projekte führen.
Eine Anpassung der Schulbauten an neue pädagogische Konzepte und Bedürfnisse zeitgemäßer und im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger Schulbildung wird somit unumgänglich, um den aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen und dem wachsenden Bewusstsein um die herausragende Bedeutung von Bildung Rechnung zu tragen. Ausstellung und Konferenz untersuchen im Dialog mit internationalen Experten gemeinsame Strategien für den Schulbau der Zukunft.
- Wie soll und muss Schule heute aussehen?
- Welche Raumangebote sollte Schulbau bieten?
- Wie sollten Klassen- und Aufenthaltsbereiche gestaltet sein?
- Wie kann ein Schulbau sich klug in den Stadtraum oder in die ländliche Umgebung integrieren?
Die Ausstellungsinstallation zeigt zwölf internationale Beispiele zeitgenössischer Schulbauten aus elf Ländern in Europa, die mit ihren facettenreichen Angeboten zu einem anregenden Nachdenken über den Schulbau einladen. Studien aus dem Seminar zu historischen Schulbauten/Lern- und Lehrkonzepten der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe unter der Leitung von Prof. Dipl.-Ing. Tillmann Wagner und Prof.-Vertr. Dipl.-Ing. Constantin von der Mülbe ergänzen das Programm.
Für die Ausstellung wurde ein Facebook und Instagram-Account eingerichtet. Hier werden Beispiele aus der Schulpraxis gezeigt und mit der Öffentlichkeit diskutiert. Beiträge und Kommentare können Sie auf beiden Plattformen finden und einreichen unter: Facebook: #aedesfutureschools / Instagram: #aedesfutureschools
PROJEKTE IN DER AUSSTELLUNG
HESSENWALD SCHULE, WEITERSTADT / DEUTSCHLAND
Wulf Architekten, Stuttgart / Fertigstellung 2016
Die Hessenwald-Schule befindet sich auf einer Lichtung in der Nähe von Weiterstadt (Darmstadt). Die kooperative Gesamtschule für 700 Schüler setzt auf das pädagogische Konzept der „Lernhäuser“, die die Mobilität von Schülern zwischen verschiedenen Schulformen ermöglicht. Die neue Schulanlage ist in drei Pavillons unterteilt, die durch eine dreigeschossige Halle verbunden sind. Im Erdgeschoss schließen sich Musik- und Theaterräume, die Fachräume, die Bibliothek, die Cafeteria und die Personalräume an. Die einzelnen Raumeinheiten innerhalb der Schule sind flexibel koppelbar und können je nach Bedarf der Nutzer angepasst werden.
@ Brigida González
JEAN MOULIN SCHULE, REVIN / FRANKREICH
Duncan Lewis Scape Architecture, Bordeaux / Fertigstellung 2016
Das Schulgebäude setzt sich aus terrassenförmig aneinandergereihten, eingeschossigen, schmalen Gebäudestreifen zusammen, die der Topographie des Hanges über 35 Höhenmeter folgen und sich zu einer großen „Raumlandschaft“ verbinden. Durch die begrünten Dächer der Schule ergibt sich aus der Vogelperspektive das Bild eines bepflanzten Hügels. Die Schule legt einen Bildungsschwerpunkt auf die Bereiche Elektrotechnik, Energie- und Umwelttechnik, daher bietet die Schule neben den Unterrichtsräumen auch technische Werkstätten und Labore an. Die vielfältigen Sporteinrichtungen stehen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung und werden für nationale und regionale Veranstaltungen genutzt.
li:@ Mathieu Tregoat re:@ Agence Duncan Lewis
DEUTSCHE SCHULE MADRID / SPANIEN
Grüntuch Ernst Architekten, Berlin / Fertigstellung 2015
Das neue Schulgebäude findet sich am Fuße der Ausläufer des Regionalparks der Sierra de Guadarrama im Norden Madrids. Das Angebot der Schule beinhaltet sowohl Kindergarten und Grundschule als auch ein Gymnasium. Zusätzlich bietet die Schule ein öffentliches Bildungsprogramm sowie abendliche Konzerte und Theateraufführungen für die Anwohner. Durch die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, räumlichen Bezüge und Begegnungsangebote innerhalb des Stadtquartiers bildet die Schule einen wichtigen Baustein als öffentlicher Ort des kulturellen und sozialen Austauschs.
© Grüntuch Ernst Architekten, Fotos: Celia de Coca
NORD-ØSTERDAL HIGH SCHOOL, TYNSET / NORWEGEN
Longva arkitekter, Oslo / Fertigstellung 2013
Der Neubau der Nord-Østerdal High School liegt am Stadtrand von Tynset, einer kleinen Gemeinde mit ca. 5500 Einwohnern und einem weiten Einzugsgebiet aus der Umgebung. Das Lehrprogramm der Schule bietet eine Kombination aus Oberschule mit integrierter Berufsschule für Schüler von 16 bis 19 Jahren an. Die pädagogische Vielfalt spiegelt sich auch in dem facettenreichen Raumangebot der Schule wider. Es gibt verschieden große Raumeinheiten für die unterschiedlichen Lerngruppen, Werkstätten für Holzarbeiten, Autoreparaturen und Elektroninstallationen, ein Blackbox-Theater für Tanz- und Performanceveranstaltungen, ein großes Auditorium, eine Restaurantküche u.v.m.
© Ivan Brodey
EUROPEAN SCHOOL COPENHAGEN / DÄNEMARK
NORD Architects + Vilhelm Lauritzen Architects / Fertigstellung 2018
Die European School in Kopenhagen liegt im Carlsberg District – einem ehemaligen Brauereigelände aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die neuen Bauten der Schule wurden zwischen die bestehenden Altbauten eingefügt und gruppieren sich um eine gemeinsam genutzte Mitte. Als besonderes städtebauliches Merkmal fällt dem Besucher sofort der spielerisch gestaltete Außenraum auf, der Schule und Nachbarquartier durch eine frei zugängliche und gemeinsam genutzte Raumfolge innerhalb der ehemaligen Industrieanlage miteinander verbindet. In verschiedenen Höhenstaffelungen sind Höfe, Grünräume und das Dach der Sporthalle frei begehbar. Die Schulräume selbst sind als fließende „Lernlandschaft“ angelegt, um die soziale Interaktion zwischen Schülern und Lehrern zu unterstützen.
© Adam Mørk
LEHTIKANGAS SCHULE, KAJAANI, FINNLAND
ALT Architects + Architecture Office Karsikas, Oulu, Finnland / Fertigstellung 2017
Das Gebäude für die Lehtikangas Schule und Kindergarten wurde für Kinder von 1 bis 16 Jahren konzipiert. Das Raumprogramm wurde mit weiteren öffentlichen Funktionen ergänzt, die auch von den umliegenden Nachbarquartieren genutzt werden können – so z.B. eine Mensa, eine Regionalbibliothek sowie eine multifunktionale Sporthalle. Die flexible und offene Aufteilung der Räume unterstützt die in Finnland aktuellen pädagogischen Lehrmethoden: die Schüler der Grund- und Gesamtschule können sich ohne Einschränkungen durch die Altersstufen zu Arbeitsgruppen zusammenfinden. Weiße Wandoberflächen im Zusammenspiel mit Raumelementen aus Birkenholz fördern eine helle, ruhige Lernatmosphäre.
© Ville-Pekka Ikola
HACKNEY NEW SCHOOL, LONDON / GROSSBRITANNIEN
Henley Halebrown Architects, London / Fertigstellung 2015
Die Hackney New School ist eine staatlich finanzierte, freie Schule, bestehend aus einer Sekundarschule und einer Grundschule für ca. 700 Mädchen und Jungen im Alter von 4 bis 11 Jahren. Das Gesamtensemble der Schule setzt sich zusammen aus dem Bestandsgebäude der ehemaligen Telefonzentrale an der Downham Road, die umgebaut wurde und nun Klassenzimmer sowie Seminar- und Lagerräume beinhaltet. Um einen zentral gelegenen Hof mit Spiel und Sportanlagen wurden weitere neue Gebäude mit einem Mehrzweckbereich für Restaurant, Musik- und Theateraufführungen, Labore, Bibliothek und Klassenräume ergänzt. Das Haus für eine neue Grundschule auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich zur Zeit im Bau.
li: © Nick Kane re: © David Grendorge
SIMONE VEIL’S GROUP OF SCHOOLS, COLOMBES / FRANKREICH
Dominique Coulon & Associés, Paris / Fertigstellung 2015
Die Schule liegt in Colombes, einem Vorort zehn Kilometer nordwestlich von Paris. In dem Gebäudekomplex ist ein lebendiges, multifunktionales Raumprogramm untergebracht: zwei getrennte Schulen bestehend aus Vorschule und Grundschule für 500 Kinder im Alter von 3 bis 11 Jahren mit zahlreichen innen- und außenliegenden Spiel- und Bewegungsflächen. Als öffentlich zugängliche Bereiche sind hier eine Cafeteria, eine Bibliothek, sowie ein Weiterbildungszentrum und ein Fitnessstudio für Erwachsene untergebracht. Auch das auf diesem Grundstück bereits vorhandene Straßenbahndepot wurde in das Gebäude integriert. Die Architektur des Hauses setzt der umgebenden Bebauung des Stadtteils eine farbenfrohe, neue Raumwelt entgegen.
© Eugenie Pons
BREDE BUURTSCHOOL 03, DEN HAAG / NIEDERLANDE atelier PRO, Den Haag / Fertigstellung 2016
Der Neubau des im Süden von Den Haag gelegenen Stadtviertels Rivierenbuurt ist nicht nur Schule, sondern kulturelles Zentrum und Treffpunkt für das Quartier zwischen Stadtzentrum und Hauptbahnhof. Neben einer Grundschule umfasst das drei- bis viergeschossige, langgestreckte Gebäude eine Kindertagesstätte, eine Sozialhilfeeinrichtung, ein Ärzte- und Gemeinschaftszentrum und mehrere Sportvereine. Alle öffentlichen Bereiche befinden sich in der östlichen Gebäudehälfte, alle Schulräumlichkeiten, die nach Unterrichtsende geschlossen werden, in der westlichen. Verbunden sind sie über das gemeinsame, multifunktionale Atrium-Foyer, über das man auch die Dachterrasse erreicht. Die Frontseite des Hauses orientiert sich zu einem öffentlichen Grünbereich mit integrierten Sport- und Spielplatzanlagen.
© Luuk Kramer
BUBAO SINT-LIEVENSPOORT, GHENT / BELGIEN
evr-Architecten + Callebaut Architecten, Ghent / Fertigstellung 2016
Für die neue Nutzung des Sint-Lievenspoort-Instituts als Schule für Schüler mit Hör- und Sehbehinderungen sowie Autismus wurde die 140 Jahre alte Klosteranlage im Zentrum von Ghent saniert und umgebaut. Ein diagonal ausgerichteter Anbau für die Aula im Innenhof dient als Orientierungspunkt. Ihr begrüntes Dach ist als Terrasse nutzbar und bildet mit dem bepflanzten Garten das grüne Herz der Schule. Der neue verglaste Laubengang vor der historischen Fassade unterstützt die visuelle und physische Beziehung zwischen den Innenräumen und dem Hof. Besonderer Wert wurde auf die haptische und akustische Qualität der Materialien gelegt, um die räumliche Orientierung der Kinder zu unterstützen.
© Stijn Bollaert
SCHULANLAGE, CHERMIGNON / SCHWEIZ
Frei Rezakhanlou Architects, Lausanne / Fertigstellung 2010
Die Schulanlage im Rhonetal wurde von den fünf Dörfern Icogne, Lens, Chermignon, Chermignon-d’en-Bas und Montana zur gemeinschaftlichen Nutzung geplant und liegt an der Hauptstrasse 210, die alle Dörfer miteinander verbindet. Das Raumprogramm beinhaltet neben der Grundschule mit neun Klassenzimmern, der Kinderkrippe und der Cafeteria auch eine Sport- und Mehrzweckhalle, die z.B. für Konzerte, Theater und weitere gemeinsame Veranstaltungen der Dörfer genutzt wird. Der Pausenhof der Schule dient auch als neuer gemeinschaftlicher „Dorfplatz“ der Anwohner und ermöglicht weite Blicke in die Berglandschaft.
@ Thomas Jantscher
BILDUNGSCAMPUS SONNWENDVIERTEL, WIEN / ÖSTERREICH
PPAG architects, Wien / Fertigstellung 2014
Der Bildungscampus Sonnwendviertel bietet ein gemeinsames pädagogisch-räumliches Konzept für die Altersgruppen von Kindern zwischen 0 bis 14 Jahren. Ziel der Stadt Wien war es, eine zeitgemäße Bildungseinrichtung zu bauen, die freies Lernen und Projektunterricht über verschiedene Altersstufen hinweg ermöglicht und damit das individuelle Lernen fördert. Die Schule ist in räumlichen „Clustern“ organisiert, die sich um eine gemeinsame Mitte - den sogenannten „Marktplatz“ - gruppieren. Jeder Cluster enthält vier Bildungsräume, einen Projektraum und einen Teamraum für die Lehrer, sowie zugeordnete Terrassen und Gartenbereiche, die als „Freiluftklassen“ genutzt werden können.
@ Hertha Hurnaus
Katalog
Deutsch/Englisch
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SPONSOREN
Die Ausstellung und die Konferenz wurden ermöglicht durch die großzügige Unterstützung von
Zumtobel, Vestre, Velux
Die Gestaltung der Ausstellungsinstallation wird unterstützt durch Objekte von
Vestre, Lintex, Gesellschaft für digitale Bildung
MEDIENPARTNER
Wir freuen uns über die Kooperation mit unserem Medienpartner
Bauwelt