Die Asien-Pazifik-Wochen werden unterstützt durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB).
Veranstalter:
Aedes East - Internationales Forum für Zeitgenössische Architektur e. V.
Kuratoren: Anand Patel (Architekt), Ahmedabad
Ulla Giesler (Kulturwissenschaftlerin), Berlin
Konzeptionelle Mitarbeit: Christopher Dell, Institut für Improvisations-Technologie
Die Ausstellung findet im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen 2009 mit dem diesjährigen Schwerpunktthema ‚Mobilität und Energie’ statt.
Indien entwickelt sich rasant und hat auch derzeit nicht besonders unter der globalen Finanzkrise zu leiden, zumindest nicht seine Architektenschaft. In ganz Indien sind gerade so viele Architekten und Städteplaner beschäftigt wie in Berlin. Die Arbeit geht ihnen nicht aus, junge Architekten wie Architekturstudenten aus Europa sind erwünscht! Auch der erste Eindruck vor Ort, neue Autobahnen, bestens mehrsprachig beschildert, neue Gleistrassen für die Eisenbahn und unzählige Baustellen für neue Wasserleitungen zeugen in vielen Städten vom gigantischen Aufbruch, der dort herrscht. Halb Delhi wird für die neuen U-Bahnlinien umgegraben. Warum man davon in den deutschen Medien nichts sieht – ein Rätsel?! Allenfalls die neuen Museen mit großartigen Sammlungen junger indischer Kunst oder sozialkritische Blicke in die ‚Slums’ sind ab und an einen Artikel wert.
Der indische Anthropologe Arjun Appadurai sagte auf dem in Berlin abgehaltenen Kongress ‚Beyond Multiculturalism’, dass wir oft zu nah und gleichzeitig zu fern am weltweiten Geschehen sind: „Wir haben zwar die Attentate im Bombay im Herbst fast zeitgleich im TV miterlebt, für die seit einigen Jahren großen positiven Veränderungen in Indien interessiert sich jedoch niemand.“
Das Ausstellungsprojekt "What Makes India Urban? Challenges towards Mobility, Infrastructure, Energy and Perpetual Change" gibt Einblicke in das neue urbane Indien und erfasst die Komplexität der Nutzungen der neu entstehenden Räume. Auftakt inhaltlicher Art bildete dazu das Anfang Mai in Ahmedabad/Indien abgehaltene Symposium, im Rahmen dessen Architekten, Städteplaner, Künstler, Filmemacher, Rechtsanwälte und Theoretiker diskutierten, was Indien denn nun wirklich urban macht.
Im ersten Ausstellungsraum wird unter dem Titel „Screened and Narrated Urbanism” die Verknüpfung von Urbanisierung und kulturellem Wandel präsentiert. Audiovisuelle Installationen erzeugen Bilder, Klänge und Stimmen unterschiedlicher urbaner Situationen, z.B. aus Gurgaon, der Sonderwirtschaftszone direkt vor der Haustür Delhis. Die Ausstellungsbesucher erhalten in mehr als 20 Projekten zufällige Ein-Blicke in verschiedene Lebenswelten – auf indische Straßen und neue Highways, entstehende Satellitenstädte und beeindruckende Skylines – und damit ein Gefühl für Räume und Orte, die das urbane Indien bietet. In „The Story of Gurgaon: As Told by its People“ befragen und porträtieren die freie Radiomacherin Arti Jaiman und der Fotograph Ajay Jaiman die ehemals agrarisch geprägte Bevölkerung Gurgaons, die noch nach einem Platz in diesem neuen Gefüge sucht. Der Musiker und Theoretiker Christopher Dell intervenierte mit einem geborgten Vibraphon im Stadtzentrum Kolkatas. Das Projekt thematisiert im Film „Kolkata Monodosis“ und der Publikation „Tacit Urbanism“ die Veränderungen des Stadtraums von Kolkata, die durch den Einfluss der Straßenhändler und all denen, die den informellen Sektor prägen, entstehen. („Kolkata Monodosis“ entstand 2008 im Rahmen des Artist-in-residence Projekts des Goethe-Instituts Kolkata) In der Installation "GENDERED STRATEGIES FOR LOITERING“ untersuchen die Künstlerinnen Shilpa Ranade, Shilpa Phadke und Sameera Khan, warum Mumbai zwar als sichere Stadt gilt, Frauen jedoch den öffentlichen Raum nicht vorurteilsfrei nutzen können. Der öffentliche Raum ist nach wie vor eine Männerdomäne. Ihr Videospiel spielt ironisch mit den Un-Möglichkeiten als Frau dort zu verweilen. Ihre Arbeit stellt Fragen nach den Risiken, dem möglichen Vergnügen und ihren Bürgerrechten und lädt die Ausstellungsbesucher virtuell dazu ein, in den Straßen Mumbais ‚abzuhängen’.
Während der erste Ausstellungspart den Besucher in die Alltagswelt, die Dimensionen und kulturellen Eigenheiten der indischen Städte führt, beschäftigt sich der zweite Teil „De-mystified Urbanism“ mit den Handlungsbereichen von Architekten und Städteplanern, die daran arbeiten, Städte neu zu gestalten und passende Methoden für ihre planerischen Tätigkeiten zu finden. Die Herausforderung liegt dabei darin, die kulturellen Einschreibungen zu erkennen und Räume daraus zu konstruieren. Die ausgewählten Architektur- und Stadtplanungsprojekte richten die Aufmerksamkeit auch auf die infrastrukturellen Herausforderungen, mit denen indische Städte derzeit konfrontiert sind. Die Bandbreite reicht vom Denkmalschutz über Großprojekten bis hin zur Errichtung von Sonderwirtschaftszonen und der Anlage neuer Infrastruktur. U.a. werden folgende Projekte in der Ausstellung vorgestellt:
• „Sabarmati Riverfront Development Project“ von HCPDPM, Bimal Patel (Architekt & Städteplaner, Ahmedabad) Das Sabarmati Riverfront Development Project ist momentan das größte urbane Sanierungsgprojekt Indiens. Auf einer Länge von 24 km wird die Uferzone des Sabarmati-Flusses in Ahmedabad für die Öffentlichkeit zugängig gemacht. 180 ha wieder gewonnenes Land wird für den dringend benötigten Öffentlichen Raum, Fußgängerbereiche, Kultureinrichtungen, aber auch für Wohnraum für Slumbewohner bereitgestellt. Die neu geschaffenen Uferbereiche dienen ebenso zur Sicherung und Regulierung bei Flut.
• „Ownership of the City” von Venkataramanan Associates, Naresh Narasimhan (Architekt, Bangalore) Naresh Narasimhan folgt in seinen Projekten den Fragen nach den Besitzverhältnissen in der Stadt Bangalore und wie die Teilhabe in der Stadt zurück in die Hand ihrer Einwohner gelangen kann. In den letzten 50 Jahren ging die Stadt durch viele Hände, von Kempe Gowda zu Hayder Ali bis zu den Engländern und den jetzigen Beamten und Politikern. Die heutigen Einwohner samt der riesigen Gruppe der Zuwanderer sollen die heutigen Verhältnisse mit bestimmen.
• „Urbanism and New Communities“, von SK Das (Architekt, Delhi) Crossing Township ist ein 160 ha großes Wohngebiet mit öffentlichen Plätzen und öffentlichem Raum zum Spazieren gehen und Fahrradfahren, zum Leben und Arbeiten. Es entstand im Austausch zwischen den städtischen Behörden und den umliegenden einkommensschwachen Anwohnern. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit Sasaki aus Boston. Inzwischen ist der Gesamtplan genehmigt worden und die Bautätigkeiten im vollen Gang. Das Gebiet liegt in Ghaziabad, einer Stadt im direktem Einzugsgebiet von Delhi.
Vielfältiges Textmaterial aus indischen wie deutschen Zeitschriften, Sachbücher wie zeitgenössische Literaturbeispiele laden zum Lesen vor Ort innerhalb der Ausstellung ein. Die Textbeispiele rücken die Bilder, die wir im Kopf haben, noch einmal zurecht und mögliche Klischees werden enttarnt. Mit den Literaturbeispielen zeichnet sich oft eine Rückkehr zum Lokalen ab, zum Mikrokosmos der persönlichen Lebenswelten, den Geschichten der Städte mit ihren sozialen Milieus, die im Zuge der Globalisierung und Homogenisierung Indiens eventuell verschwinden werden. Z.B. spielt Aravind Adigas Booker-Preis gekröntes Buch „Der weisse Tiger“ in der Welt der Callcenter, in den neu entstandenen Satellitenstädten mit gigantischen Malls und „Gated Communities“ und den entsprechend „indischen“ Lösungen für Verkehrsprobleme
Katalog
Zur Ausstellung ist ein Aedes Katalog erschienen.
ISBN 978-3-937093-08-6
deutsch/englisch
Preis € 10,-
Diese Ausstellung wurde ermöglicht mit der großzügigen Unterstützung von: