Einst als positive Zielvorstellung des Bauens lanciert, ist der Begriff des nachhaltigen Bauens heute zunehmend problematisch geworden. Kaum ein Projekt, das mehr ohne das N-Wort auskommt und der Versuchung widerstehen könnte, die dirty secrets des Bauens mit dem Heiligenschein ökologischer Unbedenklichkeit zu überstrahlen. Dank Greenwashing, Etikettenschwindel und schöngelogenen Statistiken verkommt der Begriff der Nachhaltigkeit zum PR-Placebo, seine Bedeutung löst sich auf wie eine Brausetablette im Wasserglas.
Dabei könnten wir angesichts serienmäßig scheiternder Klimagipfel einen wirklichen Diskurs über nachhaltiges Bauen dringend brauchen. Die Holcim Foundation for Sustainable Construction sucht deshalb seit 2004 gezielt nach Architekturprojekten, bei denen Nachhaltgkeit nicht als technologisches Sahnehäubchen verstanden wird, sondern die einen intelligenten Gestaltungsansatz zur Entwurfsgrundlage machen. Um solchen Projekten einen weiteren Schub zur Realisierung zu geben, werden alle drei Jahre die besten Projekte in fünf regionalen und einem globalen Wettbewerb mit einem Gesamtpreisgeld von zwei Millionen US-Dollar ausgezeichnet. Dass in diesem Jahr auffällig viele Projekte von deutschen Architekten – darunter allein fünf aus Berliner Büros – unter den Preisträgern waren, gab den Anstoß, diese besonders zu würdigen.
Die Ausstellung MACHEN! begleitet den Entwicklungsprozess der sechs Projekte: Auf der einen Seite stellt sie den Stand der Wettbewerbsabgabe vor, anhand von Modellen bis hin zu Detailstudien und Experimenten im Maßstab 1:1 zeigt sie aber auch, wie sich die Projekte in der Zwischenzeit weiter entwickelt haben.
Francis Kéré realisiert in Burkina Faso nach einer Reihe erfolgreicher Projekte gerade seinen größten Gebäudekomplex aus Lehm. Mit dem Gymnasium in seinem Heimatdorf Gando zeigt er, wie man den alten Baustoff durch moderne Technologien optimieren kann. Für die Aktualisierung traditioneller Techniken stehen ebenfalls das Team von Anna Heringer, Martin Rauch, Nägele Waibel Architekten zusammen mit Salima Naji mit dem Schulungszentrum für Nachhaltigkeit in Marokko sowie die Architekten Ziegert Roswag Seiler mit der Lehmschule in Pakistan, die sich aus einem Lehmkorpus und einer leichten Bambuskonstruktion zusammensetzt.
Das Flussbad von realities:united knüpft an die urbane Badekultur Berlins aus dem frühen 20. Jahrhundert an und zeigt eine Recyclingmöglichkeit historischer Raumqualitäten für die Stadt der Gegenwart. Mit dem „Smart Material House“ in Hamburg wollen die Architekten Barkow Leibinger, dass auch der Baustoff Beton durchaus nachhaltige Attribute haben kann. Ihre vorgeschlagene Hybridkonstruktion kombiniert Fertigteile aus Infraleichtbeton mit Brettschichtholz und schafft so eine Art „Kartenhaus aus Beton“. Die Architekten Sauerbruch Hutton planen in Helsinkis zukünftigem Öko-Viertel „Low2No“ eine sechsgeschossige Holzkonstruktion für ein Ensemble aus Wohn- und Bürohäusern. Damit beabsichtigen sie einerseits, den Markt für Hochbauten aus Holz zu öffnen, auf der anderen Seite schlagen sie in ihrem Gebäudekonzept „Die Stadt als lebende Öko-Fabrik“ auch eine zeitgemäße nachhaltige Lebensweise vor.
Alle sechs ausgestellten Projekte offenbaren exemplarisch einen neuen, reflektierten Zugang zum Thema: Damit das Bauen nachhaltig wird, reicht es nicht, konventionell gedachte Gebäude mit den neuesten Ökogadgets auszustatten. Vielmehr muss Architektur vorrangig ihre eigene gestalterische und konzeptionelle Kompetenz einsetzen. Die Technologie ist nur ein Mittel zum Zweck.
Sponsoren
Holcim Foundation, Zumtobel, carpetconcept, Busch-Jaeger, AXOR Hansgrohe